Innenjalousien

»Nachträglicher Einbau von Innenjalousien« - so, oder so ähnlich, lautete der Betreff eines Schreibens, das wenige Tage, nachdem ich die Schlüssel zu meiner neuen Wohnung in einem der vier Wiener Gasometer erhalten habe, in meinem Briefkasten lag. Dazu ist vielleicht anzumerken, dass in jenen Tagen kurz nach dem Einzug die einzelnen Fächer des Postkastens noch keine Nummerierung hatten. Man musste damals also alle zweiundneunzig Fächer systematisch durchprobieren, um jenes zu finden, das sich mit dem eigenen Schlüssel aufsperren lies. - Für mich war es ja ein Wunder, dass der Postbote überhaupt die richtigen Fächer gefunden hat, aber um ehrlich zu sein, verschwendete ich damals darauf keine großen Gedanken.

Ich möge mich doch bitte mit der Firma MHZ (oder so ähnlich) in Verbindung setzen, bat mich dieser Brief. - Zwecks nachträglichem Einbau der oben erwähnten Jalousien. Eine Telefonnummer (ohne Vorwahl), eine Faxnummer (identisch mit der Telefonnummer) (natürlich auch ohne Vorwahl) und eine Email-Adresse folgten.

Schon am nächsten Tag rief ich bei der angegebenen Nummer an: »Guten Tag, hier spricht nuschel Mayer, ich nuschelnuschel erreichbar, bitte senden Sie mir unter dieser Nummer ein Fax, oder rufen Sie 0-nuscheldinuschel-92-nuschel. Bitte sprechen Sie jetzt piep!« - Nun ist es leider ein wenig kompliziert, mit einem Anrufbeantworter einen Termin auszuverhandeln, also legte ich auf, und rief noch ein paar Mal dort an, solange bis ich die Handynummer verstanden hatte.

Prompt erreiche ich Hr. Mayer am Handy:
»Guten Tag, nuschel Mayer«
»Guten Tag, Schölnast, ich rufe an wegen des nachträglichen Einbaus von Innenjalousien im Gasometer C. Ich hätte mit Ihnen gerne einen Termin ausgemacht für Tür Nummer 277.«
»Tut mir leid, ich bin gerade mitten in einer Bauabnahme im Gasometer B. Schicken sie mir bitte ein Fax oder schreiben Sie mir ein Email an nuschel-dot-Mayer-ät-nuschel-dot-at.«
»Ist das die selbe Emailadresse, die in dem Brief steht?«
»Ja.«
»Danke, wiederhören.«
»klick«

Wenige Minuten später schrieb ich ihm ein Email, in dem ich ihm sagte, er könne jederzeit kommen, auch nachts und am Wochenende, nur müsste ich es achtundvierzig Stunden vorher wissen. Und es müsste spätestens am 3. August sein, denn dann wäre mein Urlaub zu Ende.

Mehrere Tage mit Regen zogen daraufhin ins Land, die von mehreren Tagen mit Sonnenschein gefolgt wurden. Eine Einweihungsparty folgte auf die andere, und die Nachbarschafts-Community im Internet verdoppelte ihre Mitgliederanzahl.

Am 31. Juli wurde es mir dann zu blöd. Ich rief wieder die Firma MGH (oder so ähnlich) an: »Guten Tag, hier spricht nuschel Mayer, ich nuschelnuschel erreichbar, bitte senden Sie mir unter dieser Nummer ein Fax, oder rufen Sie 0-nuscheldinuschel-92-nuschel. Bitte sprechen Sie jetzt piep!«
Gut, dass ich die Handynummer schon notiert hatte: »Guten Tag, hier spricht nuschel Mayer, ich nuschelnuschel erreichbar. Bitte versuchen sie es später, oder rufen Sie in der Zentrale an: 7-nuscheldinuschel-28. - tüt tüt tüt«

Schon beim zweiten Versuch hatte ich die Nummer Zentrale:
genervte Frauenstimme: »nuscheldinuschel, guten Tag«
»Guten Tag, Schölnast. Ich wollte eigentlich den Herrn Mayer sprechen.«
»Der ist außer Haus. Rufen sie ihn am Handy an. Die Nummer ist 0676..«
»Danke, ich habe die Nummer schon, aber er hebt nicht ab.«
»Ja dann haben's ein Pech. Müssen's es halt nocheinmal probieren.«
»Können sie ihm etwas ausrichten?«
»Um was geht's?«
»Um den nachträglichen Einbau von Innenj..«
»Das machen Sie sich bitte mit ihm selber aus. Das macht nur der Herr Mayer persönlich.«
»Aber ich erreich ihn nicht.«
»Da kann ich auch nichts machen.«
»Richten sie ihm bitte aus, dass ich angerufen habe, und dass er UNBEDINGT SOFORT zurückrufen soll, weil ich UNBEDINGT NOCH DIESE WOCHE einen Termin für die Montage brauche.«
»Na gut, wiederschauen. - tüt tüt tüt«
Ich glaube ich habe in diesem Augenblick nicht wirklich klug ausgesehen: Mund halb offen, leerer Blick, und ein Handy am Ohr, das tüt tüt macht.

Am Abend rief ich nochmal an. Alle drei Nummern. Nirgendwo wurde abgehoben. Ein Antwortmail war auch noch nicht da. Das selbe am nächsten Tag. Entweder waren alle zugleich auf Urlaub, oder die Firma ist über Nacht in Konkurs gegangen. Sicherheitshalber redete ich auf jeden erreichbaren Anrufbeantworter meine dringende Bitte, bitte SOFORT zurückzurufen, weil ich BIS SPÄTESTENS DRITTEN AUGUST einen Termin für die Montage brauchen würde.


Bei der Einweihungsparty des Tages traf ich zufällig meinen freundlichen Nachbarn Walter, der mir verriet, dass der Jalousienmensch am nächsten Tag (also am 2. August) um zehn Uhr am Vormittag bei ihm sein sollte.
Am nächsten Tag war ich um 10:10 Uhr bei Walter: Der Jalousienmensch war schon wieder weg. Er hat Walter auf 16:00 Uhr vertröstet. Walter teilte mir aber mit, dass er noch durch die Laubengänge schleichen würde, und Träger eines auffallend roten T-Shirts wäre. Sein Lieferwagen stünde übrigens genau in der Einfahrt, wäre also nicht zu übersehen.

Rote T-Shirts sind ein eher seltener Anblick im Wiener Straßenbild, doch an diesem Vormittag bemerkte ich gleich 5 Bauarbeiter, die noch mit letzten Abschlussarbeiten an der Umgebung der bereits bezogenen Wohnung beschäftigt waren, und rote T-Shirts trugen.

In der Einfahrt fand ich den Lieferwagen, und noch drei weitere dazu. Alle vier trugen keine Firmenaufschrift. Also lehnte ich mich an eine Hauswand, beobachtete die vier Lieferwagen, und wartete auf ein rotes T-Shirt. Zwanzig Minuten später war es so weit: Ein rotes T-Shirt steuerte genau auf einen der Lieferwagen zu. Ich stürmte auf ihn zu:
»Guten Tag, sind sie für den nachträglichen Einbau der Innenjalousien im Gasometer C zuständig?«
»Rollos«
»Wie bitte?«
»Nachträglicher Einbau von InnenROLLOS!«
»Jalousien!«
»Rollos!«
Wir diskutierten eine Weile die Unterschiede von Rollos und Jalousien im Allgemeinen, und speziell im Zusammenhang mit bereits bezogenen Wohnungen. Es stellte sich heraus, dass mein Gegenüber nicht Hr. Nuschel Mayer war, sondern ein Vertreter bzw. Mitarbeiter von ihm. Dieser Mitarbeiter hat mir gesagt, dass er nicht davon in Kenntnis gesetzt worden wäre, dass er auch bei mir solche Sicht- und Sonnenschutzdinger einzubauen hätte. Jemand in der Zentrale hätte da wieder mal Mist gebaut, meinte er und zeigte mir zum Beweis sein Auftragsbuch. Dort stand in der vorletzten Zeile der Seite 2:

Tür 277 Schölnast Tel: 0664/6527083 - Einbau Jalousien am 3. 8.

Ich habe mich in diesem Augenblick natürlich schon gefragt, was wohl dort gestanden wäre, hätte er doch Kenntnis von diesem Auftrag gehabt, aber ich hielt es für angebracht, diese Frage für mich zu behalten. - Ich habe mich aber noch etwas anderes gefragt: Wieso stand dort ein Termin, von dem ich noch nichts wusste? Denn der 3. 8. war doch schon morgen!
»Morgen um 16:00 Uhr, passt das?« fragte mich der, der keine Kenntnis hatte, in einem eher gelangweilten Ton.
»Ja, super! Aber rufen sie mich bitte an, falls etwas dazwischen kommt.«
»Nein, nein, keine Angst, pünktlich um 16:00 Uhr bin ich bei ihnen.«


3. August, kurz nach 12 Uhr läutet mein Handy:
»Guten Tag, nuschel Mayer. Es tut mir leid, wir können die Rollos heute doch nicht bei Ihnen einbauen.«
»Warum?«
»Der Hersteller in Deutschland kommt mit der Produktion nicht nach.«
Und das haben sie gestern noch nicht gewusst? wollte ich noch fragen, verkniff es mir dann aber doch.
»Wann geht es dann?«
»Keine Ahnung.«

Wenig später rief ich deswegen die Hausverwaltung an: Die wirklich überaus freundliche Dame sagte mir, dass ihnen am 19. Juli, also an dem Tag, an dem ich den Wohnungsschlüssel bekam, von Hr. Mayer angeboten wurde, sofort, also noch am selben Tag, noch schnell in allen 92 Wohnungen des Gasometer C, und in allen Wohnungen des Gasometer B die Jalousien einzubauen. Wegen der gleichzeitig stattfindenden Schlüsselübergabe hatte die Hausverwaltung aber abgelehnt, und stattdessen die Briefe in die Briefkästen gelegt. (Nun wusste ich auch, wieso der Brief in meinem Postfach lag: Solche Briefe lagen offenbar in allen Postfächern)
Angeblich hat also Hr. Mayer am 19. Juli rund 900 Innenjalousien zur Hand gehabt, um sie sofort einzubauen.



Einige Wochen später habe ich es noch immer nicht geschafft, mir die Jalousien vor die Fenster montieren zu lassen. Meine Nachbarin Claudia war da schon erfolgreicher, und so besuchte ich sie kurzerhand, um mir die Dinger etwas genauer anzusehen:
Sie sahen eigentlich ganz nett aus wenn sie über dem Fenster montiert sind, aber es konnten sich leider nicht alle gegen das wilde und ungestüme Zerren der Schwerkraft halten. In der Küche wurde die erste schon nach wenigen Stunden schwach und warf das Handtuch - und sich selbst zu Boden.
Die Existent einer ungebundenen Sonnenschutzrollo bewog uns dann zu einem kleinen Experiment: Laut Aussage des Monteurs soll man nämlich bei diesem sensationellem Produkt von einer Seite durchsehen können, während dies von der anderen Seite her unmöglich sein soll. Während Claudia dies ganz einfach als eine tolle Sache empfand, vorausgesetzt man würde das Ding richtig herum aufhängen, versetzte es mich in maßloses Staunen.

An dieser Stelle sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich ein paar Semester lang die Gelegenheit hatte, eine Universität von innen zu besichtigen. Und von diesen insgesamt fünfzehn Semestern widmete ich tatsächlich ganze vier dem Studium der Physik. (Den Rest von elf Semestern verplemperte ich mit Chemie). Während dieser Zeit konnte ich das Fachgebiet »Optik« von allen Seiten beleuchten. Und dabei kam ich zu folgendem Schluss, der mir auch von Trägern höherer akademischer Ehren bestätigt wurde: Überall wo Licht hinkommt, kann es auch wieder zurück. Es gibt also keine Einbahnstraßen für Licht. - Jedenfalls nicht ohne Spezialgeräte zu verwenden, die teurer als eine mittlere Luxusvilla sind. Rollos, die diesen Trick beherrschen würden, wären also von unerschwinglichem Wert. Die Tatsache, dass ich hier vor einem Produkt stand, dass für weniger als hundert Euro die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen imstande war, versetzte mich in andächtiges Staunen.

Doch zurück zu den wunderbaren Rollos in Claudias Wohnung und dem Experiment, dass hier beschrieben werden soll:
An einem Fenster, nämlich dem linken, hing eine Rollo, die sich noch standhaft gegen die immerwährende Anziehung unseres Mutterplaneten zur Wehr setzen konnte. Ihre graue Seite war nach außen gewandt, die weiße nach innen. Vor das andere Fenster (das rechte) hielt Claudia die Versager-Rollo, also jenes Exemplar, dass im Kampf mit der Schwerkraft eine herbe Niederlage einstecken musste.
Claudia hielt dieses Exemplar so, dass hier die weiße Seite nach außen zeigte, während wir vom Innenraum der Küche direkt auf die graue Fläche blicken konnten.
Alle Anwesenden Personen (fünf Erwachsene und ein Kleinkind) versuchten nun den Transmissionskoeffizienten beider Rollos abzuschätzen, wobei natürlich erschwerend hinzukam, dass die Albedo der weißen Fläche naturgemäß deutlich größer war als jene der grauen Fläche. (Anmerkung: Albedo ist die Menge des diffus reflektierten Lichts in Verhältnis zur einfallenden Lichtmenge, der Transmissionskoeffizient ist das Verhältnis von durchtretender Lichtmenge zu eingestrahlter Lichtmenge) (Anmerkung für Laien: Albedo ist die Helligkeit des Materials, und der Transmissionskoeffizient sagt aus, wie Durchsichtig ein Material ist)

Nach eingehender Begutachtung der beiden Testflächen wurde abgestimmt:
Transmission links deutlich größer als rechts: 0 Stimmen
Transmission rechts deutlich größer als links: 0 Stimmen
Transmission ungefähr gleich: 4 Stimmen
»Aber Weiß passt eh besser zur Wand als Grau«: 1 Stimme
»dada, brrr«: 1 Stimme

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge nahm ich dieses Ergebnis zur Kenntnis:
a) Mein physikalisches Weltbild hängt wieder gerade
b) Die Gasometer sind um eine einmalige Weltsensation ärmer.

Achtung, Spam-Falle:

Jede E-Mail, die an die Adresse Daniel Honigtopf <daniel.honigtopf@schoelnast.at> zugestellt wird, wird als unerwünschte Nachricht eingestuft. Die E-Mails, die dort einlangen, werden von niemandem gelesen. Sie dienen ausschließlich dazu, mein Spamfilter-Programm zu trainieren und werden anschließend gelöscht.

Ich gehe nämlich davon aus, dass diese E-Mail-Adresse von E-Mail-Harvestern gefunden wird, die diese Adresse dann an Spam-Versender weitergeben. Es ist also damit zu rechnen, dass bei dieser Adresse Spam-Mails (unerwünschte Nachrichten) eingehen werden. Wenn ich nun aber davon ausgehen kann, dass alles was hier landet ganz sicher Spam ist (weil dorthin niemals normale Mails geschickt werden), dann hilft das meinem Spamfilter-Programm sehr. Dann weiß es nämlich, dass E-Mails mit ähnlichem Inhalt, oder vom selben Absender, auch dann als Spam anzusehen sind, wenn sie an eine meiner »echten« E-Mail-Adressen zugestellt werden. Der Spamfilter bewertet diese E-Mails dann nämlich ebenfalls als unerwünscht und löscht sie sofort anstatt sie irgend jemandem zuzustellen. Auf diese Weise bleiben nicht nur meine eigenen echten E-Mail Konten schön sauber, sondern auch die meiner Kunden.

Sende also niemals E-Mails an diese Adresse, und auch nicht an Julia Honigtopf <julia.honigtopf@schoelnast.at> oder an Tobias Honigtopf <tobias.honigtopf@schoelnast.at>, denn diese Adressen sind das, was man in der IT-Welt als honeypot (deutsch: Honigtopf) bezeichnet. Wenn du trotzdem etwas dorthin schickst, riskierst du, dass ich alle anderen E-Mails, die von dir kommen, auch dann nicht erhalte, wenn du sie an die richtige Adresse schickst.

Vermeide auch, irgend etwas an laura.honigtopf@schoelnast.at oder an patrick.honigtopf@schoelnast.at zu schicken.



Hubert Schölnast
(Webmaster)

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