Amtsschimmel

Ich bin vor wenigen Wochen umgezogen. Von Wien nach St. Pölten. Bei so einem Umzug muss man auch die Behörden informieren, was im Fall des Wohnsitzes eigentlich recht einfach war. Ich ging ins Rathaus von St. Pölten, zum Meldeamt, und habe den Meldezettel, den ich von der Hausverwaltung bekommen habe, samt einem Lichtbildausweis der freundlichen Sachbearbeiterin vorgelegt. Nach weniger als fünf Minuten (inklusive Wartezeit) war alles erledigt.

Dann habe ich noch gefragt, wo ich Sitz und Geschäftsanschrift meiner Firma und den Gewerbestandort ummelden kann. Denn ich habe einen Gewerbeschein und bin auch stolzer Inhaber einer Firma, deren einziger Mitarbeiter ich selbst bin, und die sich örtlich in meinem Wohnzimmer befindet. Ich schreibe Computerprogramme und mache Websites und Apps für Smartphones.

Die Dame vom Meldeamt hat mir den Weg zum Gewerbeamt gewiesen. Weniger als 10 Gehminuten vom Rathaus entfernt.

In St. Pölten ist dieses Amt in einem Haus untergebracht, das von außen wie ein Wohnhaus aus dem späten 19. Jahrhundert ausschaut. Von innen schaut es auch aus wie ein Wohnhaus aus dem späten 19. Jahrhundert. Ich habe die starke Vermutung, dass es tatsächlich mal ein Wohnhaus war. Den größten Teil des Gebäudes belegt übrigens nicht das Gewerbeamt, sondern das Amt für Veranstaltungswesen. Das Gewerbeamt ist in einer Wohnung im Erdgeschoß untergebracht, und es würde mich nicht wundern, wenn sich das Amt für Weihnachtsdekoration auch in diesem Haus befände, im zweiten Stock möglicherweise. Das Ambiente würde perfekt passen.

Die Dame vom Gewerbeamt war sehr hilfsbereit, und hat auch innerhalb kurzer Zeit den Standort meines Gewerbes umgemeldet. »Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie« steht auf meinem Gewerbeschein, und das darf ich jetzt in St. Pölten gegen Bezahlung machen. Meine eigene Buchhaltung macht übrigens meine Frau, weil ich von Buchhaltung nicht wirklich viel Ahnung habe. Ich schreibe Computerprogramme und mache Websites und Apps für Smartphones. Warum ich damit ganz offiziell auch Unternehmensberater und Buchhalter bin, ist mir ein Rätsel.

Ein Rätsel blieb mir auch, wohin ich gehen sollte, um auch den Sitz meiner Firma offiziell von Wien nach St. Pölten zu verlegen. Denn die nette Dame vom Gewerbeamt fühlte sich dafür nicht zuständig, und sie hatte auch keine Ahnung, wer das macht. Aber wir beide bestärkten uns gegenseitig in der Vermutung, dass das wohl das Handelsgericht machen würde, denn das verwaltet ja das Firmenbuch, und da muss in einer Datenbank eine Adresse geändert werden. Aber wo in St. Pölten ist das Handelsgericht? Wir wussten es beide nicht. Aber wir wussten beide, wo das Landesgericht ist, und hielten es beide für sehr wahrscheinlich, dass dort auch das Handelsgericht residieren würde.

Und so war es auch. Nachdem ich mich nämlich von der netten Dame vom Gewerbeamt verabschiedet, und ihre Amtswohnung verlassen hatte, ging ich, weil’s nicht weit weg ist (in St. Pölten ist nichts weit weg, jedenfalls nicht nach Wiener Maßstäben), schnurstracks zum Landesgericht. Keine 10 Minuten Fußweg. Auf dem Schild vor dem Gebäude war dann tatsächlich zu lesen, dass hier nicht nur das Landesgericht, sondern auch das Handelsgericht ist. Wenn das kein Bingo ist!

In ein Gericht spaziert man nicht so einfach rein. Das ist kein Wohnhaus aus dem späten 19. Jahrhundert. Da gibt es eine Sicherheitsschleuse, und man muss ohne Gürtel und ohne Schuhe durch den Metalldetektor (Meine Schuhe schauen nur aus als wären sie aus Leder. Tatsächlich sind sie offenbar zur Gänze aus Metall, denn auch an jedem Flughafen lösen sie einen Alarm aus wenn ich vergesse sie auszuziehen).

Einmal drinnen, wurde ich zur Servicestelle geschickt. Dort habe ich darum gebeten, den Sitz meiner Firma umzumelden. Die beiden Damen (in St. Pölten arbeiten in Ämtern, wie ich nun bemerkte, ausschließlich Frauen) sahen mich an, als wüchsen mir seltsame Pflanzen aus dem Kopf.

»Das geht so nicht, da müssen Sie einen Antrag einbringen.« klärte mich die Dunkelhaarige auf, die auch die voluminösere war.

Ja eh, dachte ich mir. Das mache ich ja gerade. Um alle Unklarheiten zu beseitigen, formulierte ich es so deutlich, wie ich es zustande brachte. Ich nahm Haltung an, bemühte mich um klare und deutliche Aussprache, und sagte laut und deutlich: »Hiermit stelle ich den Antrag, den Sitz meiner Firma von Wien nach St. Pölten zu verlegen.«

Noch mehr Pflanzen aus meinem Kopf, diesmal mit blau-orange gestreiften würfelförmigen Früchten. »Nein, Sie müssen einen Antrag stellen! So geht das nicht!«

Nun war ich an der Reihe dreinzuschauen als wüchsen den Damen seltsame Dinge aus dem Haupt.

»Schriftlich« ergänzte die Rothaarige.

Na gut, dann halt schriftlich. Ich bat um das entsprechende Formular. Es gibt dafür kein Formular, erfuhr ich, das müsste ich schon selber schreiben. Also bat ich um einen leeren Zettel und einen Kugelschreiber, und erklärte meine Bitte mit den Worten »Damit ich Ihnen meinen Antrag aufschreiben kann«.

Die Gesichter der beiden Gerichtsbediensteten machten mir klar: Ganze Wälder wucherten nun aus meinem Körper.

»Nein, so geht das nicht. Das können Sie nicht so einfach da aufschreiben. Das muss schon ein ordentlicher Antrag sein.«

»Also doch ein Formular?«

»Nein, nein. Formlos. Das muss keine besondere Form haben. Sie müssen nur schrieben, dass Sie einen Antrag stellen, und was genau Sie beantragen.«

»Ja, eh. Will ich ja. Dafür brauch ich nur einen Zettel und einen Kuli, und dann schreib ich Ihnen einen absolut formlosen Antrag mit allem was Sie drin stehen haben wollen.«

Wie befürchtet ging das nicht. Wir diskutierten noch eine Weile, waren voneinander verblüfft, und als ich fragte, wer mir denn nun helfen könnte beim Ummelden meiner Firma, hatte die voluminöse Schwarzhaarige die Idee, mich zur Wirtschaftskammer zu schicken. Das erschien mir einigermaßen plausibel, denn da war ich eh noch nicht. Ich wär da sonst nicht hingegangen, ich wüsste nicht weswegen, aber wenn die irgendeine Formvorlage für einen formlosen Antrag haben, warum nicht?

Habe ich vorhin gesagt, in St. Pölten ist nix weit weg? Die Wirtschaftskammer schon. Da geht man vom Handelsgericht zur Wirtschaftskammer schon eine gute halbe Stunde. Auto hab ich keines, und der Bus ist teurer als in Wien und fährt nur alle 30 Minuten. Also habe ich dort angerufen.

Die nette Dame am Telefon (wirklich: nur Frauen in St. Pölten) hat zwar nicht verstanden, warum das Handelsgericht die Firmensitzummeldung nicht durchführen wollte, aber sie versprach sich mit einer Kollegin zu beraten um mich dann zurückzurufen. Und sie rief wirklich zurück. Nach nur 2 oder 3 Minuten (das sollen die Wiener mal den St. Pöltnern nachmachen). Und unglaublich aber wahr: Die Wirtschaftskammer Niederösterreich hat ein Formular für einen formlosen Antrag zur Firmensitzverlegung. Kein Scherz, die pure Wahrheit. Ein Formular für einen formlosen Antrag.

Ich ließ mir das Formular per E-Mail schicken.

Im Begleittext schrieb mir die Wirtschaftskammermitarbeiterin, dass ich das Formular ausfüllen müsse, und dann beglaubigt unterschreiben muss. Danach sollte ich den beglaubigten Antrag ans Handelsgericht Wien schicken, damit die in Wien dann den Kollegen in St. Pölten sagen können, dass meine Firma nun in St. Pölten daheim ist. Naja. Ginge vielleicht einfacher. Ich schreib ja auch nicht einem Wiener Magistrat einen Brief, damit die dem St. Pöltner Meldeamt sagen, dass ich nun bei ihnen wohne.

Ausfüllen war einfach. Jetzt beglaubigt unterschrieben. Das kann man bei einem Notar oder direkt bei einem Bezirksgericht machen. Zum nächsten Notar muss ich bei der Haustür raus und bei der nächsten Tür rein. Wie gesagt: In St. Pölten ist alles sehr nah (alles außer der Wirtschaftskammer). Ich ruf aber erst mal an, weil ich nicht weiß, ob ich dafür einen Termin brauche. Und für 0 Euro wird mir der Notar vermutlich auch nicht beim Unterschreiben zuschauen, also frag ich auch nach dem Preis.

»Zwischen 400 und 450 Euro« sagt mir der Herr Notar (doch nicht alles nur Frauen). Nein, das ist mir zu teuer. Aber das Auflösen der Firma würde mindestens dasselbe kosten (das habe ich tatsächlich ins Auge gefasst). Was ist da so teuer? Ich halte dem Notar einen Ausweis unter die Nase, unterschreibe unter seiner Aufsicht das formlose Formular, er klatscht einen Stempel drauf, macht eine Kopie, trägt den Vorgang in irgend eine Datenbank ein, und fertig. 400 bis 450 Euro! Wieso überhaupt »bis«? Ich habe vergessen nachzufragen, ich war zu schockiert von diesem unverschämten Preis.

Also nicht beim Notar. So teuer kann das beim Gericht niemals sein. Ich schaue im Internet nach: 30,70 Euro Fixpreis, ohne »bis«. Bei jedem Bezirksgericht Österreichs. Auch ein stolzer Preis für maximal 5 Minuten Arbeit, aber weniger als ein Zehntel des Notar-Wucher-Preises.

Wo ist jetzt das Bezirksgericht St. Pölten? Kann ja nicht weit weg sein wenn es in St. Pölten ist. Das Internet sagt es mir: Schießstattring 6. Die Adresse kenne ich. Dort ist das Landesgericht. Und das Handelsgericht. Und somit auch das Firmenbuch.

Also stiefle ich zum Alles-Gericht. Ich war klug genug, eine Hose anzuziehen, die auch ohne Gürtel hält, damit ich nach der Schleuse nicht so lange beim Einfädeln des Gürtels rumfummeln muss. Leider sind meine Lederschuhe, die ich vor drei Jahren bei Selfridges in der Oxford Street in London gekauft habe, anscheinend noch immer aus Metall, aber der Pförtner lässt mich trotzdem ein.

Beglaubigt Unterschreiben? Das macht die Servicestelle. Genau die Stelle, die mich darauf hingewiesen hat, dass ich meinen Antrag nicht einfach so, sondern als Antrag stellen muss. Formlos. Mit einem Formular von der Wirtschaftskammer.

Aber ich bin frohen Mutes, denn das Formular für den formlosen Antrag ist ausgefüllt, einen Ausweis habe ich mit, und sicherheitshalber habe ich sogar meinen Lieblingskuli mitgenommen.

Ich biege ins Servicecenter ein, und die schwarzhaarige Vertragsbedienstete begrüßt mich freundlich. Sie ist alleine, und sie erkennt mich nicht wieder. Kein Wunder: Heute sprießen mir keine Gewächse aus dem Kopf. Ich mache auch nicht den Fehler, hier meinen Antrag stellen zu wollen. Ich will ihn nur unterschrieben.

Und das klappt erstaunlich reibungslos. Ich unterschreibe, und die Schwarzhaarige prüft währenddessen meinen Ausweis. Dann unterschreibe ich einen anderen Wisch, damit man eine Unterschrift zum Vergleichen hat. Sie trägt die Amtshandlung in eine Datenbank ein, in die alle Gerichte Österreichs Einsicht haben, und eine eingescannte Version des von mir soeben unterschriebenen formlosen Antrags landet auch in der Datenbank. Behördlich bestätigt, und für alle Gerichte im gesamten Bundegebiet einsehbar.

Also kann ab sofort auch das Handelsgericht (das ja genau dort ist, wo ich gerade bin) auf den Antrag zugreifen. Auch die Mitarbeiter des Firmenbuchs, direkt hier in St. Pölten, können ab sofort meinen Antrag sehen.

Aber zu früh gefreut.

Die schauen da nicht von selber nach. Ich habe nur beglaubigt unterschieben. Zufällig genau in dem Gebäude, in dem man auch meinen Antrag bearbeiten wird, aber ich habe noch nicht den Antrag gestellt.

»Hiermit stelle ich meinen Antrag.« - Nein. Das habe ich mich nicht zu sagen getraut. Das ging beim letzten Mal schon nicht gut, warum sollte das heute besser sein? Aber ich frage zur Sicherheit trotzdem, was ich jetzt mit dem beglaubigten Antrag machen soll.

»Den schicken Sie jetzt mit der Post zum Handelsgericht in Wien. Die überprüfen dann anhand des Eintrags im Beglaubigungsarchiv der Justiz, ob ihr Antrag beglaubigt ist. Und damit das schneller geht, legen Sie ihrem Antrag am besten diesen Einstellungsvermerk bei.« Mit diesen Worten drückt sie mir den Ausdruck in zweifacher Ausfertigung in die Hand.

Sie fährt fort: »Mit dieser Nummer«, sie tippt auf eine Nummer, die eine halbe Zeile lang ist, »kann jeder Justizbeamte in ganz Österreich ihre unterschriebene Urkunde einsehen.« - »Also auch ihre Kollegen vom Firmenbuch?« frage ich nach, und sofort verschwindet der freundliche Blick aus ihrem Gesicht. Sie sieht mich scharf an. Dann tut sie so, als hätte sie mich nicht gehört. Sie erklärt weiter.

»Im Handelsgericht Wien wird ihr Antrag dann bearbeitet. Die Kollegen schicken eine Nachricht an die Kollegen hier im Firmenbuch in St. Pölten, und die tippen dann in den Computer ihre neue Adresse ein.«

Als ich das Gebäude verlasse, fällt mir eine Episode aus »Asterix erobert Rom« ein: Das Haus das Verrückte macht. Ich frage mich, ob die Erfinder des Asterix, Goscinny und Uderzo, mal eine Firma nach St. Pölten verlegen wollten.

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Jede E-Mail, die an die Adresse Daniel Honigtopf <daniel.honigtopf@schoelnast.at> zugestellt wird, wird als unerwünschte Nachricht eingestuft. Die E-Mails, die dort einlangen, werden von niemandem gelesen. Sie dienen ausschließlich dazu, mein Spamfilter-Programm zu trainieren und werden anschließend gelöscht.

Ich gehe nämlich davon aus, dass diese E-Mail-Adresse von E-Mail-Harvestern gefunden wird, die diese Adresse dann an Spam-Versender weitergeben. Es ist also damit zu rechnen, dass bei dieser Adresse Spam-Mails (unerwünschte Nachrichten) eingehen werden. Wenn ich nun aber davon ausgehen kann, dass alles was hier landet ganz sicher Spam ist (weil dorthin niemals normale Mails geschickt werden), dann hilft das meinem Spamfilter-Programm sehr. Dann weiß es nämlich, dass E-Mails mit ähnlichem Inhalt, oder vom selben Absender, auch dann als Spam anzusehen sind, wenn sie an eine meiner »echten« E-Mail-Adressen zugestellt werden. Der Spamfilter bewertet diese E-Mails dann nämlich ebenfalls als unerwünscht und löscht sie sofort anstatt sie irgend jemandem zuzustellen. Auf diese Weise bleiben nicht nur meine eigenen echten E-Mail Konten schön sauber, sondern auch die meiner Kunden.

Sende also niemals E-Mails an diese Adresse, und auch nicht an Julia Honigtopf <julia.honigtopf@schoelnast.at> oder an Tobias Honigtopf <tobias.honigtopf@schoelnast.at>, denn diese Adressen sind das, was man in der IT-Welt als honeypot (deutsch: Honigtopf) bezeichnet. Wenn du trotzdem etwas dorthin schickst, riskierst du, dass ich alle anderen E-Mails, die von dir kommen, auch dann nicht erhalte, wenn du sie an die richtige Adresse schickst.

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Hubert Schölnast
(Webmaster)

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